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Kinderfreibeträge in der Rente

Das ZEW untersuchte die Folgen eines Kinderfreibetrags in der Rentenversicherung und zeigte sich mit den Ergebnissen zufrieden

von Angelika Petrich-Hornetz

Neuer Vorschlag zur Familienentlastung

Das Familien mit Kindern finanziell stark belastet sind, wissen noch am besten sie selbst. Und so macht jede Generation stets ihre eigenen Erfahrungen, bevor sie zu demselben Ergebnis mit ihren eigenen Kindern kommt, wie sämtliche Elterngenerationen vor ihr - Das Großziehen von Kindern wird immer teurer. Besonders teuer kommen Kinder für Eltern gegenwärtig bei Wohnkosten und langfristig bei der eigenen Altersversorgung.
Diejenigen, die gleich mehrere großziehen, kommen oft nicht darum herum, zumindest einige Jahre in Teilzeit zu arbeiten oder gar nicht - mit der Folge entsprechender lebenslänglicher Lücken beim späteren eigenen Rentenbezug. Während die Kinder aufziehenden Elternteile damit billig für die Rentenversicherung sind, finanzieren die durch sie aufgezogenen Kinder später ihrerseits vorwiegend die i.d. R. teuren Renten von durchgehend berufstätigen Gutverdienern. Seitdem das zumindest in Teilen endlich auch in der Politik angekommen ist, wird immer wieder versucht, etwas mehr Rentengerechtigkeit z.B. durch Anrechnung von Erziehungsjahren u.a. Maßnahmen zwischen Kinderziehenden und Kinderlosen in der Rentenversicherung herzustellen. Das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat in einer Studie im Auftrag des BMWI nun einen Kinderfreibetrag in der Rentenversicherung untersucht und zeigte sich mit den Ergebnissen zufrieden.

Ein Freibetrag pro Kind in der Rentenversicherung

Erwerbstätige mit Kindern und ohne Kinder zahlen gegenwärtig die gleichen Rentenversicherungsbeiträge. Während eine einseitige Belastung durch höhere Rentenbeiträge für Kinderlose oder niedrigere Rentenansprüche für Kinderlose als politisch nicht durchsetzbar gelten, könnte ein Kinderfreitbetrag in der Rentenversicherung für eine angebrachte Entlastung von Familien mit Kindern sorgen, so das ZEW. Die Studie untersuchte die Einführung eines Kinderfreibetrags in der Renteversicherung in Höhe von 7.248 Euro pro Kind - sowie die Folgen für den Staatshaushalt, die Einkommensverteilung und auf den Arbeitsmarkt.
Ein Haushalt mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig Versichterten und einem Kind würde pro Jahr durchschnittlich um 594 Euro (ohne Gegenfinanzierung*) entlastet, ein Haushalt mit einem verheirateten Paar mit zwei Kindern würde mit bis zu 1.355 Euro entlastet. Verteilt man die Entlastung über alle Haushalte bleibt allerdings statistisch-rechnerisch nur noch eine Entlastung von 90 Europro Haushalt übrig.

Zugute käme der Kindefreibetrag damit weniger der Armutsrisikoquote oder dem Gini-Koeffizienten, sondern ganz praktisch vor allem unteren und mittleren Einkommen. Nicht profitieren würden Einkommen - nach Abzug des Freibetrags - , die immer noch oberhalb der Bemessungsgrenze blieben, Selbstständige und Beamte. Auch Bezieher von Arbeitslosengeld II nützte der Kinderfreibetrag nichts, da er lediglich die Transferleistungen verringerte. Das wäre allerdings auch notwendig, um die Kosten solch eines Kinderfreibeitrags von rund 4,5 Milliarden Euro pro Jahr gegenzufinanzieren, zusätzlich zu angenommenen höheren Einkommensteuer-Einnahmen.

*Gegenfinanzierung

Daneben prüfte die Studie auch eine Gegenfinanzierung durch höhere Rentenversicherungsbeiträge oder durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um +0,46 Prozentpunkte. Die Mehrwersteuer belastet allerdings auch vor allem Familien mit mehreren Kindern. Der Rentenbeitragssatz müsste um +0,6 Prozentpunkte zur Gegenfinanzierung des Kinderfreibetrags zulegen - die favorisierte Lösung der Studien-Autoren. Damit würden Famlien ohne sozialversicherungspflichtiges, d.h. mit geringem oder ohne eigenes Einkommen auch nicht zusätzlich noch mehr belastet, wie durch eine höhere Mehrwertsteuer.

Durchsetzbar?

Da Kinder für das umlagefinanzierte Rentensystem unverzichtbar sind, sei es richtig, Eltern im Verhältnis zu Kinderlosen zu begünstigen, fasst Mitautor Professor Peichl in der Pressemitteilung zur Studie optimistisch zusammen. Doch ob das überall so gesehen wird und wirklich ein Interesse aller daran besteht, Haushalte mit Kindern im unteren und mittleren Einkommensbereich zu entlassten, dürfte trotz aller vollmundigen Bekundungen vergangener Jahre, jetzt aber endlich wirklich etwas gegen arme Kinder zu tun, dennoch fraglich sein. Weil ein Kinderfreibetrag in der Rentenversicherung weder einen messbaren Effekt auf das regional und international vergleibare Armutsrisiko noch auf den Armuts-Koeffizienten hat, wirkt er zur Beförderung einer politischen Karrie erst einmal nicht besonders attraktiv.

Und ob alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wirklich bereit sind, freiwillig mehr (Rentenversicherungsbeiträge) zu bezahlen, nur um ganz pragmatisch Eltern mit wenig oder mittlerem Einkommen zu entlasten, dürfte momentan ebenso fraglich sein. Einigen sind bereits die steuerlichen Begünstigungen von Elternpaaren durch das Ehegattensplitting ein solcher Dorn im Auge, dass sie es am liebsten schon gestern abgeschafft hätten. Und nicht zu vergessen die kostenlose Familienversicherung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Doch auch durch das Ehegattensplitting profiertieren sehr viele Familien mit Kindern. Warum sollten also ausgerechnet diejenigen, die vorhandene, steuerliche u.a. Begünstigungen für Eltern bereits als überflüssige Geldverschwendung betrachten, ihnen nun neue Begünstigungen in der Rentenversicherung zugestehen? So weit denken, dass die Kinder anderer Leute ihnen eines Tages ihre Rente bezahlen werden, fällt vielen Menschen immer noch schwer, darunter auch nicht wenige mit eigenen Kindern. Zusätzlich folgten womöglich dann auch prompt wieder die nur kurzfristig vernachlässigten, alten pädagogisch-ideologischen Grabenkämpfe: Sollte man Eltern überhaupt mehr von ihrem Einkommen lassen ("Geld geben")? Wäre das Geld nicht besser in Kitas und Schulen investiert, als ausgerechnet in Eltern?

Es ist richtig, dass die Leistung Kinder großzuziehen in der Rentenversicherung stärker begünstig werden muss, sonst steigt das Risiko der Aufgabe des Generationen-Vertrags im demografischen Wandel mit jeder neuen Generation an, und es kann durch die immens steigenden Belastungen der kommenden Beitragszahler-Generationen eines Tages auch sehr schnell gehen.
Bereits vor einem Dutzend Jahren wurde das Thema schon in Kreisen der Deutschen Rentenversicherung genauso geäußert, aber im gleichen Atemzug gesagt, dass eine stärkere Berücksichtung von Kindern in der Rentenversicherung einfach nicht durchzusetzen ist. Die Frage ist also, wie sehr es in den Köpfen immer noch verankert ist, dass die Rente für bezahlte Arbeit da ist - und für sonst gar nichts. In der Babyboomer-Generation, mit einem starken Anteil kinderloser Haushalte, sehen es noch viele so, darunter inzwischen auch immer mehr Frauen. Objektiv ist das natürlich auch nicht, schließlich wechselt diese Generation ab jetzt in den Ruhestand. Den Fehler, deren enorme Größe zu unterschätzen, kann sich auf der einen Seite kein Wohlfahrtsstaat - aber auf der anderen Seite auch keine wahlkämpfende Partei mehr leisten.

Weitere Infos:
Zur ZEW-Studie, PDF: Kinderfreibeträge in der Sozialversicherung


2017-04-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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