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Drohnen - die neuen Smartphones?

Hightech für Hobby-Himmelsstürmer und Hehler


von Annegret Handel-Kempf

Unbemannte Flugsysteme sind kaum zu sehen, dabei für große Passagierflugzeuge höchst bedrohlich. Doch die Mini-Roboter-Vögel sind ohne Bedienungsanleitung, Haftungs- und Gefahrenhinweise im Internet zu haben. Drohnen sind immer begehrter als digitales Fotografier-Spielzeug zum Selfie-Schießen bei abenteuerlichen Aktionen. Als digitale Plattform sollen sie nach Experten-Meinung bald attraktiver als Smartphones sein.

Die positive Perspektive: Künftig sollen ferngesteuerte bzw. autonom agierende Mini-Ufos dringend benötigte Medikamente in überfüllten Städten und in abgelegenen Gegenden ausliefern. Die Kehrseite: Längst bringen Multikopter Drogen in Gefängnisse und Schmugglerware über Grenzen, werden als Kampfmittel, aber auch für spektakuläre Aufnahmen für Film und Fernsehen eingesetzt – manchmal ohne Rücksicht auf Behinderungen, etwa von Rettungsarbeiten, und Gefahren, die sie dabei verursachen.

Nur Fliegen ist schöner…. Einmal die Drohne vom Handgelenk oder aus dem Bauchtäschchen hochgeworfen – schon filmt sie das Abenteuer-Klettern, das Mountain-Biken, das eigene Mega-Surfen, den Tandem-Sprung. Bilder für die Ewigkeit, sofern man die Drohne nicht nur in die Luft wirft, sondern vorher auch anschaltet, damit sie ihren Besitzer wiederfindet. Sonst ist das Hightech-Teil für jedermann einfach kaputt. So wie Lily, eine 999-Dollar-Armband-Drohne, die bei aller Anhänglichkeit ausreichend Beachtung braucht, doch nicht immer bekommt. Vergessen wird beim großen Hype um die Hochflieger vieles, dabei surren sie wahnsinnig schnell in den Alltag auch von Hightech-Verweigerern.

Unüberschaubar viele Möglichkeiten stecken hinter „unbemannten Flugobjekten“, so die allgemeinste Definition von Drohnen, die im Kleinformat jenseits des Militärischen immer automatisierter agieren und immer weiter kommen. Vom Privat-Vergnügen, übers Filmen bei Mega-Events und für Hollywood, bis zu landwirtschaftlicher Assistenz, Katastropheneinsätzen und Überwachung der Luftqualität. Adäquate Rechtsetzungen, die Gefahren der autarken, kaum mehr gesteuerten Luftraumteilnehmer begrenzen und sinnvolle Entwicklungen begünstigen, werden jedoch bereits jetzt von Experten und Forschern in Deutschland beklagt.

Ingo Seebach ist Geschäftsführer von Dedrone, einem Startup, das einen „Tracker“ gegen kriminelle Drohnen baut und gerade seinen Hauptsitz nach San Francisco verlegt hat, wo der Umgang mit Multikoptern sehr pragmatisch angegangen wird: „Die Drohne wird eine Plattform als Pendant zum Smartphone oder zum Tablet sein. Also vordergründig keine Hardware, sondern eine Plattform für Services. Die Belieferung mit Medikamenten in Superstädten wird der Beginn sein. Also dort, wo es im Verkehr keine Chance mehr gibt, zügig durchzukommen.“

Benny Borchers ist seit 25 Jahren Modellflugpilot und Fachreferent Multikopter vom Luftsportverband Bayern. Er kennt und lebt den Unterschied zwischen anspruchsvollen Modellflugzeugen und ebenfalls unbemannten Multikoptern, die sich technisch dadurch auszeichnen, dass die Drehzahl ihrer namengebenden Propeller gesteuert wird: „Der Begriff „Drohne“ für Multikopter hat sich weitläufig etabliert, hat mit Modellflug aber nichts zu tun. Drohnen können aufgrund ihrer technischen Ausstattung von Laien und Quereinsteigern ohne entsprechende Vorkenntnisse genutzt werden.“ Sein Appell an die vielen oft unbedarften, neuzeitlichen Himmelsstürmer und vor allem an die Hersteller und Verkäufer von Multikopter-Drohnen – nicht zuletzt im Online-Handel: „Anleitungszettel zu Einsatzorten, -höhen, -verboten, -gefahren und notwendiger Versicherung beilegen. Fachberatung nicht auslassen!“

Der Luftsport-Experte betont die Expertise der Hobby-Modellflieger in Abgrenzung zur derzeitigen Multikopter-Nutzung: „Der Modellflug stellt in Deutschland und Europa die zahlenmäßig größte Nutzergruppe im unteren Luftraum dar. Bei Sach- und Personenschäden liegt der Modellflug weit unterhalb allgemeinen Lebensrisikos.“

Anders bei Multikopter-Drohnen: „Eine Erhöhung des allgemeinen Gefahrenpotenzials im unteren Luftraum droht.“ Borchers Begründung: „Es ist für mich einfacher, ein Modellflugzeug im statischen Schwebeflug zu erkennen, als eine Drohne.“ Das Problem aus seiner „Doppel-Sicht“: „Es gibt jetzt sehr viel mehr Nutzer, die sich der Gefahren nicht bewusst sind, sich nicht für die rechtlichen Vorschriften interessieren.“ Borchers weist vor allem auf die Probleme für Rettungsflieger, Segelflieger und Airbus-Piloten hin: „Ab 30 Meter Höhe fängt ein Kopter an, nicht mehr erkennbar zu sein.“ Schon 100 Meter Aufstiegshöhe von Drohnen seien für den Segelflug, mit thermischen Winden ab 150 Metern Aufwind, extrem problematisch.

Probleme sind dafür da, gelöst zu werden. Auch entwicklungstechnisch.

Florian Holzapfel, Professor für Flugsystemdynamik an der TU München: „Es fehlt sicherheitskritisches Denken. Die Entwicklung muss nicht nur für die Funktion, sondern auch für die Fehlfunktion und Fehler stark sein.“ Da geht es um mehr als darum, viel, schnell, billig und weit transportieren zu können. Da geht es auch um die Entwicklung stromsparender Antriebe, um abrupte Abstürze bei unvorhergesehenen Ereignissen zu vermeiden. Da geht es um bessere Sensoren und System-Bereiche, die andere Flugobjekte und Hindernisse frühzeitig erkennen, ihnen ausweichen und Landeflächen präzise ansteuern können.

Multikopter-Aufspürer Seebach benennt die größte Herausforderung, die dem Ausgeliefertsein an herumschwirrende Drohnen entgegenwirken soll: „Es geht darum, eine Infrastruktur aufzubauen, um Drohnen zu leiten, um auf Gefahren aufmerksam zu machen.“

Während in Asien Drohnen in hippen Restaurants bereits das Essen servieren und deutsche Ingenieure um Rat gefragt werden, wie das abrupte Herunterplatschen von Essen und Tellern dabei vermieden werden kann, reichen hierzulande die rechtlichen Rahmenbedingungen aktuell weder zur Absicherung von Menschen noch zur Ankurbelung des Geschäfts mit unbemannten Flugobjekten aus.

Zahlen, wie viele Drohnen über unseren Köpfen mittlerweile unterwegs sind, gibt es wenige. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) schätzt, dass etwa 400 000 dieser Fluggeräte ohne Piloten und Passagiere an Bord in diesem Jahr in Deutschland verkauft werden. Private Drohnen unter fünf Kilogramm Gewicht müssen bislang nicht registriert werden, anders als gewerbliche, die für jeden Aufstieg eine Genehmigung brauchen.

Dennoch gibt es schon jetzt für die privaten Drohnen Vorschriften, die auch ohne Registrierung und Aufklärung beim Einkauf zu beachten sind: Höher als 100 Meter dürfen die Drohnen nicht steigen. Luftverbotszonen in der Nähe von Flughöfen, Menschenansammlungen, Krankenhäusern, Atomkraftwerken, Gefängnissen etc. sowie spezielle Haftpflichtversicherungen dürfen nicht ignoriert werden. Jeder Besitzer muss seine Drohne während sie unterwegs ist, stets im Blick behalten, darf dabei nicht unter Drogen stehen.

Doch wer einmal versucht hat, die flüchtigen Punkte in hundert Metern Höhe als Drohnen zu identifizieren, weiß, warum ihre Lenker bei Wettflügen spezielle Fernsteuerungs-Video-Brillen tragen.

Beim Anflug einer mit mehr als 100 Menschen besetzten Maschine auf den Münchner Flughafen hatte sich kürzlich eine Drohne in 1700 Metern Höhe bis auf zehn Meter genähert. Reaktion der Pilotengewerkschaft Cockpit: „Man stelle sich vor, die Drohne wäre ins Triebwerk geraten oder ins Cockpit eingeschlagen – da wären im schlimmsten Fall Menschenleben in Gefahr gewesen“. Ein „gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr“ aus Sicht der Ermittler.

Wer privat mit Drohnen agiert und filmt, kommt sehr schnell auch für geschäftliche Einsätze der Multikopter auf den Geschmack. Die rechtlichen Spielräume werden dadurch enger. Benny Borchers: „Die Vermischung von privater und gewerblicher Anwendung ist mittlerweile sehr groß.“

Genau genommen, müssten Paketzusteller ausliefernden Drohnen eigentlich hinterherradeln, um sie im Blick zu behalten. Weil das wenig Sinn macht, wird im Bundesverkehrsministerium sogar über eine Lockerung der Vorschriften nachgedacht. So sollen Piloten, die einen Drohnenführerschein haben und ihre Geräte beherrschen, die unbemannten Flugobjekte auch außer Sichtweite steuern dürfen. Doch wie ist es um so eine Beherrschung bestellt, wenn auch die Geräte der Inhaber von Drohnen-Führerscheinen unbemerkt Schaden nehmen? Wenn sie bei Gefahr nicht vom Himmel geholt werden dürfen?

„Drohnen sind gefährlicher als Vögel“, warnt die Deutsche Flugsicherung. Von Vögeln werden außerdem keine gezielten Angriffe, Industriespionage oder Eingriffe in die Privatsphäre im eigenen Garten erwartet.

Bislang gelten in den Mitgliedstaaten der EU unterschiedliche Regelungen. Eine gemeinsame Richtlinie, die einheitliche Bedingungen für die Nutzung von Drohnen vorgeben soll, ist in Arbeit. Im föderativen System der Bundesrepublik sind die Bundesländer für die „unbemannten Luftfahrzeuge“ zuständig. Das hat zur Folge, dass etwa in Hamburg vor einer Aufstiegsgenehmigung zu gewerblichen Zwecken die Demonstration der Flugkünste steht. In anderen Bundesländern genügt den Behörden der schriftliche Antrag.

Doch das unscharfe Behörden-Handling könnte sich bald ändern, während sich Meldungen über Drohnen, die etwa Passagierflugzeugen gefährlich nahe kommen, häufen. Die Deutsche Flugsicherung plädiert generell für einen Drohnenführerschein, der etwa helfen soll, Flughöhen besser abzuschätzen. Auch für eine Registrierpflicht spricht sie sich aus, wie es sie in den USA seit Ende 2015 gibt und wie sie für Flugobjekte über 500 Gramm auch hierzulande bald kommen könnte. Das Bundesverkehrsministerium tüftelt aktuell an einer Gesetzesänderung zur Drohnennutzung. Jeder, der Geld mit Drohnen bzw. den Luftaufnahmen durch Drohnen verdient, könnte künftig einen Drohnenführerschein machen müssen. Freiwillig kann schon jetzt jeder die Steuerungsfeinheiten lernen, der 500 bis 1500 Euro auf den Tisch legt.

Höchste Zeit zu handeln, angesichts der vielen Hightech-Hochflieger: Für die USA, die mehr Gas bei den Reglements für die Computer- oder ferngesteuerten Systeme geben und mehr Aufklärung über Rechte und Pflichten der Piloten betreiben, teilte die Luftfahrtbehörde FAA beängstigende Zahlen mit. Die Menge der Drohnen in den USA werde sich nach deren Schätzungen bis zum Jahr 2020 nahezu verdreifachen. Bis dahin werde es vermutlich sieben Millionen der ferngesteuerten Flugobjekte geben, so die Behörde. Davon würden voraussichtlich 4,3 Millionen sogenannte Hobby-Drohnen sein und 2,7 Millionen für kommerzielle Zwecke eingesetzt werden.


2016-10-01, Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
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