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Dörfer vernetzen sich

Demografie im Alltag

von Angelika Petrich-Hornetz

In Europa wird vernetzt. Neben der generellen Digitalisierung und der verstärkten, internationalen Zusammenarbeit von Behörden, Unetrnehmen, Insitutionen etc. innerhalb Europas rücken nun auch die durch Verstädterung und demografische Entwicklung geplagten Regionen in den Fokus der politischen Aufmerksamkeit und damit die aussterbenden Dörfer. Die Jungen wandern in die immer größer werdenden Städte ab, die damit ihre ganz eigenen Probleme haben, zurück bleiben die Alten, die Kranken und mit Glück kommen ein paar Familien wieder zurück oder hinzu. Aber oft es zu spät oder der zaghafte Zuzug reicht nicht mehr aus, um den verloren gegangenen Lebensmittelhändler wiederzugewinnen oder die geschlossene Schule und Kindertagesstätte erneut mit genügend Leben zu füllen. Ganze Landstriche in Ost und West sind von dieser Entwicklung inzwischen stark betroffen und suchen händeringend nach Lösungen, um die Versorgung in den Dörfern aufrechterhalten zu können.

Ein neues, von der EU gefördetes Projekt – mit dem passenden Namen „Krachtige Kernen/Starke Dörfer“ (KRAKE)“ ist ein grenzübergreifendes zwischen Deutschland und den Niederlanden. Es konzentriert sich zum einen auf das noch vorhandene Potenzial in den einzelnen Dörfern und richtet sich damit direkt an die Bürger vor Ort. Zum anderen arbeitet es dabei modern-europäisch grenzüberschreitend und mit wissenschaftlicher Unterstützung durch die Hochschulen Rhein Waal, Arnheim, Nimwegen und Münster. Rund 40 Dörfer in der Region (offiziell: Euroregio) Rhein-Waal werden in den nächsten drei Jahren mit der Begleitung von Forschern verschiedene Lösungen umsetzen.

Die Probleme sind auf beiden Seiten der Grenze sehr ähnlich, aber die Heransgehensweisen unterschiedlich, so dass man voneinander lernen will, um neue Konzepte und Perspektiven zu entwickeln. Das Projekt „Smart Villages“ der Hochschule Rhein-Waal ist auch dabei. Unverzichtbar zum Gelingen der Umsetzung sind die Bürger selbst, die mit den beteiligten Hochschulen und den Verwaltungsmitarbeiterin gemeinsam praktikable, zukunftsfähige Angebote entwickeln sollen. Damit rücken neben allen Einwohnern auch die jeweils vor Ort vorhandenen und tätigen lokalen Vereine und Initiativen in den Mittelpunkt der Projekt-Arbeit, mit dem Ziel, das Selbstmanagement der Dörfer nachhaltig zu stärken.

Die Themen und die dafür möglichen Angebote hat man in sechs Kategorien, so genannte „Communities“ gebündelt sowie zugeteilt. In der „Care Community“ geht es den daran Beteiligten u.a. um bürgegetragene Pflegekonzepte. In der „Wohn-Communiy“ wird es um die Nutzung und den Umgang mit leerstehenden Gebäuden gehen, in der „Family-Community“ um Angebote für junge Familien. In der „DNA-Community“ sollen Angebote und Aktivitäten zusammengefasst werden, die für die individuelle, jeweilige Dorfgemeinschaft und deren Einwohner typisch ist und zu ihnen passt.
Im Münsterland enstand mit Begleitung der dortigen Fachhochschule gemeinsam mit der Handwerkskammer und Kreishandwerkerschaft eine weitere, die so genannte „Service-Community“, eine Partnerschaft zwischen lokalen Unternehmen und Ehrenamtlern, um die Versorgung vor Ort zu sichern. In der sechsten schließlich, der „Healthy-Lifestyle-Community“ wollen niederländische und deutsche Ernährungsexperten die Bürger für einen gesunden Lebensstil gewinnen.

Mit dem ambitionierten Projekt rücken die Bürger der jeweiligen Dörfer, aber auch die der Dörfer untereinander zwangsläufig in einem ständigen gemeinsamen Kommunikationprozess stärker zusammen. Außerdem öffnen sie sich mit der Beteiligung der Hochschulen Wissenschaftlern und lokalen Unternehmen. Das wird auch ein Gewöhnungsprozess werden, der sowohl das ständige Miteinander, inklusive einem Mehr an Informationen und Informationsaustausch von und mit Dritten, auf einer neuen Basis, als auch die Öffnung gegenüber neuen, wissenschaftlichen Methoden und eine neue, dörfliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Einwohnern betreffen wird.

Es hört sich jedenfalls vielverprechend an, weil die Bürger selbst, als Experten in eigener Sache, einbezogen werden, sie sich am ende selbst verwalten und versorgen sollen. Auch, wenn es dem ein oder anderen vielleicht zu viel werden könnte, mit dieser neuen Art moderner Verantwortung für die eigene zukunftsfähige, dörfliche Gemeinschaft, werden sich nun wohl kaum ehemalige Landbewohner gleich scharenweise auf den Weg in die Stadt machen, um der dort vorherrschenden Anonymität zu frönen oder gar wissenschaftlichen Ernährungstipps zu entfliehen, vor denen man auch in der Stadt nie sicher ist. Die Dorfgemeinschaft kennt sich schließlich sowieso schon bestens, so dass sie ihr Funktionieren nicht mehr erste beweisen muss. Es wird lediglich auf eine andere Ebene gehoben. Man darf auf die Ergebnisse gespannt sein, denn sie könnten Vorbildcharakter für weitere Regionen entwickeln.

Fachhochschule Münster


2016-04-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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