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CeBIT III

Leere Computer auf der CeBIT 2010

Wenn die Cloud unsere Daten klaut

von Annegret Handel-Kempf

Die Wolke schwebt bereits über uns, lässt uns träumen, von den Freiheiten und der Schwerelosigkeit des Internets, droht uns aber auch zu ersticken, wenn wir sie nicht schnellstens grün anmalen ...

Cloud Computing, möglicherweise ein Synonym für das gerade beginnende, quasi körper-und ballastlose IT-Jahrzehnt, versprüht auf der CeBIT 2010 die Verführung ins Netz.

Betriebssysteme verlieren an Macht und Gewicht, wenn sich die geballte Kraft des digitalen Fortschritts in eine Wolke verlagert, die private und professionelle Daten via Browser überall verfügbar und bearbeitbar macht: Egal ob mit PC, Handy, Fernseher. Oder bald auch mit der Kaffeemaschine, die mit Wettermeldungen und Bildern aus dem in der Wolke schwebenden Familienalbum „Guten Morgen“ sagt.

Ab ins All mit unseren Erinnerungen

Dr. Joseph Reger, Chief Technology Officer bei Fujitsu Technology Solutions, prophezeite auf dem Innovationsgipfel 2010 in München für das gerade begonnene Jahrzehnt einen Paradigmenwechsel in der Industrie: „Professionelle Datenverarbeitung wird zum großen Teil in die Wolke eingehen und dadurch unsichtbar werden.“

Unter den Vorzeichen von Green IT und Energiespar-Erfordernissen sieht der Zukunftsmanager Novosibirsk, wegen seiner natürlichen Kühlung, und Oregon, wegen seines Wasserreichtums, als optimale Standorte für die Rechenzentren der Wolke. Diese muss vielleicht irgendwann ins Weltall abwandern, um über die für das Ende des Jahrzehnts prognostizierten 100 Millionen Server hinaus noch dem Umweltschutz gerecht zu werden: Aktuell, mit 35 Millionen Servern, ist die IT weltweit für zwei Prozent des Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich.
Die Machbarkeitsstudie für Server im All sei gemacht, vermeldet Reger ganz trocken.

Nur Fliegen kostet ähnlich viel Energie

Die Kühlung wird im Universum weniger Probleme bereiten als auf unserem Planeten: Dennoch – müssen wir nach der Erde auch noch den Weltraum mit Daten zumüllen?

Seit dem Jahr 2000 hat sich der Stromverbrauch der Rechenzentren verdoppelt, so dass der Energiehunger aller Rechenzentren zusammen jetzt mit der Summe der im Flugverkehr verflogenen Energie gleichzieht. Die Zeiten sind noch gar nicht so lange her, in denen man jedes ältere Word-Dokument kritisch daraufhin begutachtete, ob es wirklich noch länger die schmalen Festplatten-Ressourcen belegen muss. Und dann wurde einfach gelöscht, wie auch jede überflüssige Email schnell in den Papierkorb wanderte.

Wer heute noch einen Job hat, der braucht jede Minute, um mit den Aufgaben und Erledigungen, die auf viel weniger Arbeitende als früher konzentriert sind, durchzukommen. Für wohlüberlegtes Daten-Aussortieren bleibt ihm keine Zeit.
Wo gibt es Hilfe, damit sich die Wolke mit ihren Terrabytes-Fluten nicht pechschwarz über uns und der von Zerstörung bedrohten Umwelt zusammenballt?

Vielleicht in einem energieeffizienten Rechenzentrum, wie es von Rittel und Phoenix Contact als gläsernes, begehbares Live Data Center in Hannover vorgestellt wird. Bernd Hanstein, bei Rittel für System-Lösungen zuständig, spricht von einem Einsparpotenzial von bis zu 50 Prozent, das durch intelligente Kälteerzeugung und –Verteilung erzielt werden kann.

Energie wird nicht nur rar, sondern auch kostspieliger. Die Verteuerung des Betriebs von Rechenzentren lässt sich Hanstein zufolge nur eindämmen, wenn in den Data Centern alle Bereiche, also IT-Hardware und IT-Infrastruktur, sowie Applikationen, „perfekt“ aufeinander abgestimmt sind. Für jede Verbesserung sei eine Live-Erfassung des Energieverbrauchs im Rechenzentrum wesentlich. Bei Rittel wird die Leistungsaufnahme aller Verbraucher direkt am Einspeisepunkt ermittelt und ausgewertet. Hanstein: „Der wirtschaftliche Druck von Seiten der Kunden geht stark in Richtung Green IT.“

Ob schwarz, ob grün, die Informationstechnologie verändert sich, wie die CeBIT vom 2. bis zum 6. März in Hannover zeigt. „Derzeit besteht das Internet vor allem aus Computern“, sagt Reger. „Künftig wird es aus Empfängern und SOAs bestehen.“ SOAs, deren Kürzel für serviceorientierte Architekturen steht, beruhen auf der losen Kopplung wiederverwendbarer Softwarebausteine (Services), die bestimmte Standards erfüllen.

Die Computer selbst werden zunehmend unsichtbar. Das heißt, sie werden nicht mehr als Computer wahrgenommen, wie es aktuell mit Handys und MP3-Playern bereits der Fall ist, die niemand in erster Linie als Rechner sieht.

Online-Festplatte als Laufwerk am heimischen PC

Einen Platz in der Wolke sollen künftig verstärkt private Fotos und Daten finden. Der Vorteil: Bilder aus dem digitalen Familienalbum sollen auch nach Jahrzehnten noch unverändert erhalten und – seitens ihres Eigentümers - von überall her zugreifbar und verteilbar sein.

Die Strato AG postuliert mit ihrer bis zu fünf Terabytes großen persönlichen Festplatte im Netz, namens HiDrive, das „Ende der lokalen Datenhaltung“. Obwohl irgendwo in der Internetwolke zuhause, verhält sich HiDrive wie eine eingebaute Festplatte, läuft aber keine Gefahr ihre Daten bei einem PC-Crash, Computer-Klau, Brand- oder Wasserschaden zu verlieren. Der Aufwand und die Kosten, Software auf dem heimischen oder mobilen PC installieren zu müssen, entfallen. Das Geheimnis: Mit Standardprotokollen wird auf einer vertrauten Oberfläche gearbeitet.

Cloud-Programme werden bereits bei Google-Map verwendet, wo der Anwender Wege sucht und dafür nur die Browser-Adresse, nicht aber ein ganzes Programm benötigt. Auch die Windows-Plattform Azure, die der Nutzer nur für einzelne Anwendungen, etwa von Word, im Web anklickt, funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip des Wolken-Computings. Windows Azure ist also ein so genanntes operating system as a service der teils schönen, neuen Cloud-Welt.

Wem das Arbeiten und vor allem das Speichern im Web zu wolkig oder zu unsicher werden, der kann Anwendungen und Dateispeicher auf seinem Computer auch mit denen im Netz mischen. Voraussichtlich wird dies die von Privatnutzern und kleineren Unternehmen am häufigsten genutzte Variante des Cloud Computing. Die Online-Festplatte wird einfach als Laufwerk eingebunden. Unterwegs greift man via http-Protokoll, Internet-Browser und Online-Dateimanager auf seine Dateien zu. Per Handy arbeitet das Protokoll WebDAV als Zugang. Alle Daten der Internet-Festplatte lassen sich als Backup archivieren, so dass versehentlich Gelöschtes noch nach Wochen wieder hergestellt werden kann.

Teure Sammelleidenschaft der Wolkenerklimmer

So scheinbar gegenstandslos die Wolke augenscheinlich ist, kostenfrei sind ihre Dienste keineswegs: Schließlich muss auch sie die Daten irgendwo auf der Welt, manchmal auf mehrere Orte verteilt, lagern, mehrfach sichern und verwalten.

Die T-Com-Tochter Strato AG, mit ihren zwei Kohlendioxid-freien Rechenzentren in Deutschland, sagt generös: „Man muss sich nicht entscheiden, was man speichert. Man speichert einfach alles“. Soviel Großzügigkeit bieten 5000 Gigabytes Speicherplatz, die für mehr als eine Million Fotos ausreichen würden.

Doch kosten nicht diese fünf Terabytes, sondern lediglich 100 Gigabytes, weniger als fünf Euro im Monat. Beim vollen Ausschöpfen des Speicherplatzes wäre man also mit 250 Euro im Monat dabei – der Mietpreis eines kleinen Appartements.

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2010-03-02, Annegret Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
Illustrationen: ©ap
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